La viaccia
Mauro Bolognini, Frankreich, Italien, 1961o
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verlässt der Bauernsohn Amerigo aus materieller Not den Familienbetrieb, um bei seinem Onkel in Florenz zu arbeiten. Dort verliebt er sich in die junge Prostituierte Bianca und braucht mehr Geld, als er hat, um ihr nahe zu bleiben. Der nüchterne Pragmatismus der jungen Frau bringt ihn vollends an seine Grenzen.
Amerigo Casamonti (Jean-Paul Belmondo) lebt als Bauerssohn Ende des 19. Jahrhunderts in der Nähe von Florenz. Sein Vater ist streng, das Leben hart, doch eines Tages wird Amerigo Hof und Land erben – so der Plan. Zunächst stirbt jedoch der Grossvater, und, obwohl jeder der Casamontis jedem anderen misstraut, kauft der Onkel, ein Weinhändler aus Florenz, das Anwesen und nimmt Amerigo als Gehilfe in seinem Laden auf. Der schweigsame junge Mann lebt brav sein neues Leben als Städter und erfüllt stoisch seine Pflichten, bis ihm die schöne Bianca (Claudia Cardinale) über den Weg läuft. Obwohl Amerigo entdeckt, dass sie als Prostituierte in einem Bordell arbeitet, mindert das die Anziehungskraft nicht: Er verliebt sich in sie und beginnt seinen Onkel regelmässig zu bestehlen, um sie besuchen zu können – was natürlich bald aufliegt. Mauro Bolognini erzählt gekonnt vom Niedergang der ländlichen Lebensweise und von einer verlogenen Gesellschaft, in der der am Ende nur das Geld zählt. Die italienisch-französische Koproduktion (Belmondo wurde synchronisiert) La viaccia ist Familienmelodram, Sozial- und Milieustudie zugleich, mit einer Amour fou im Zentrum. Doch "fou" ist dabei eigentlich nur Amerigo, der an einer zwar verliebten, aber entwaffnend pragmatischen Prostituierten bald verzweifelt. Wie Claudia Cardinale mehrmals betonte, war die der Bianca eine der komplexesten und interessantesten Rollen ihrer Karriere. Schön auch die Gegenüberstellung von neorealistisch eingefangener Armut und der barocken Opulenz des Freudenhauses.
Till Brockmann