Wim Wenders' Story of his Early Years
Marcel Wehn, Deutschland, 2008o
Dieses intime Porträt geht mit Home Movies, Interviews und Gegenwartsimpressionen der Frage nach, wie aus dem Sohn eines schweigsamen Wuppertaler Arztes und seiner sich unterordnenden Frau einer der bedeutendsten Regisseure der letzten fünfzig Jahre wurde. Wenders selbst und zahlreiche Weggefährt:innen berichten von der Hinwendung des angehenden Medizinstudenten zu Fotografie und Film, seiner Ausbildung sowie den Hintergründen früher Meisterstreiche wie Alice in den Städten und Im Lauf der Zeit.
Am Anfang dieses Films wird Wim Wenders nach dem gemeinsamen Nenner seiner Filme gefragt. Der Regisseur überlegt, setzt zu einer Antwort an, zögert, sinniert wieder und sagt endlich zaudernd, dass es um die Frage nach dem richtigen Leben gehe, um das fortwährende Unterwegssein. Die Szene ist so charakteristisch wie sinnig, weil sie den grossen Schweiger Wim Wenders erfasst, der gerade mit seiner Nachdenklichkeit beharrlicher unterwegs geblieben und international weitergekommen ist als jeder andere Regisseur des neuen deutschen Kinos der 1970er Jahre: Im Dezember wurde dem demnächst 80-Jährigen der europäische Filmpreis für sein Lebenswerk verliehen, sein neuster Film, Perfect Days, war ein internationaler Arthouse-Hit. In Marcel Wehns Porträt blickt Wenders anhand von Fotos, Home Movies und Filmausschnitten zurück auf seine Kindheit und Jugend, seine Zuwendung zur Fotografie und zum Film sowie sein Frühwerk bis zum Meilenstein Im Lauf der Zeit. Vor allem aber geben Weggefährt:innen Auskunft über ihre Erfahrungen mit Wenders, so die Schauspiellegenden Bruno Ganz und Rüdiger Vogler, die zeitweiligen Darstellerinnen Ulrike Sachweh, Edda Köchl und Lisa Kreuzer, die alle auch Ex-Freundinnen ohne Groll sind, und natürlich wichtige kreative Partner wie der Schriftsteller Peter Handke, der Kameramann Robby Müller und der Cutter Peter Przygodda. Der gemeinsame Nenner der konzentrierten Interviews, die mit atmosphärischen Gegenwarts-Impressionen changieren, ist der ständige Wechsel von Nähe und Entfremdung – auch in seinen Beziehungen blieb Werders ein rastloser. Dass er bis heute nirgendwo ganz angekommen zu sein scheint, dürfte mit ein Grund dafür ein, dass auch sein Werk nicht stillsteht.
Andreas Furler