Hallo Betty
Pierre Monnard, Schweiz, 2025o
Wir schreiben das Jahr 1956. Die Zürcher Texterin Emmi Creola soll ein Speiseöl bewerben und erfindet gegen den Widerstand ihrer Agentur die Kunstfigur Betty Bossi. Die «Köchin und Hausfrau der Nation» erhält schon bald jede Menge Fanpost. Weil viele Leute glauben, dass es Betty Bossi tatsächlich gibt, schlüpft Emmi bei öffentlichen Auftritten in Bettys Rolle. Gleichzeitig kämpft sie in der Agentur gegen den Neid des neuen Cheftexters und ringt zu Hause mit ihrem weniger erfolgreichen Mann um ihre Doppelrolle als Berufs- und Familienfrau.
Wer alt genug ist, um sich an die Schweiz der 1960/70er Jahre zu erinnern, dürfte auch beim Wort «gelingsicher» aufhorchen. Es fand sich in den Rezepten und Broschüren, mit denen die populäre Ratgeberin Betty Bossi den Schweizer Hausfrauen in der Küche und im Alltag zur Seite stand. Was damals die Wenigsten ahnten, heute aber jedes Schulkind weiss: Betty Bossi ist eine Kunstfigur, 1956 geschaffen von der Zürcher Werbetexterin Emmi Creola in einer Agentur, die mit der Schweizer «B.B.» ein Speiseöl bewarb. Hallo Betty erzählt die Geschichte dieser findigen Frau nach, die sich in den fünfziger Jahren zunächst gegen die gesammelten Herrschaften in ihrem Büro durchsetzen musste, mit ihrer «Betty Bossi Post» aber schnell zur Bestsellerin wurde und bei Live-Auftritten selbst in die Rolle ihrer Figur schlüpfte, während sie ständig den Spagat zwischen der Familie, einem weniger erfolgreichen Ehemann und dem Beruf machte. Die mit solchen nationalen Stoffen bestens vertraute Zürcher Produktionsfirma C-Films und der grösste Schweizer Independent-Verleih, Ascot-Elite, bringen dieses Stück Schweizer Emanzipationsgeschichte nun mit flächendeckender Unterstützung durch den aktuellen Betty-Bossi-Markeninhaber Coop in praktisch jedes Deutschschweizer Kino und schlagen damit sogar den neusten US-Blockbuster Wicked for Good an Präsenz um Längen. Angesichts der gegenwärtigen Drangsalierung durch Switzerland’s Big Sister Republic ist dieser Umstand allein schon Labsal für die nationale Seele. Um Operation Betty vollends gelingsicher zu machen, hat C-Films erneut das Erfolgstrio von Platzspitzbaby engagiert (Autor André Küttel, Regisseur Pierre Monnard, Hauptdarstellerin Sarah Spale) und die Nebenhandlungs-Flanken mit bewährten Comedy-Geschützen wie Ueli Jäggi (als Emmis nicht sehr hellem, doch gmögigem Chef) und Leonardo Nigro (als linksromantischem Italobeizer) gesichert. Das Resultat kann sich sehen lassen: Die tragikomische Erzählmaschine im goldenen Kochshow-Licht spult so anheimelnd ab, dass sie mit ihrem Votum für die berufstätige Frau und Mutter gut sechzig Jahre später auch getrost sperrangelweit offene Türen einrennen kann. Die Betty-Bossi-Rezeptur sitzt.
Andreas Furler
